Grundlinien einer erneuerten Sexualethik: Positionierung des SkF Gesamtvereins
Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) e.V. positioniert sich zu einer Sexualethik der katholischen Kirche im Sinne des Grundtextes des Synodalforums IV.
Die Synodalversammlung hat diesen Text nicht beschlossen. Obwohl mit großer Mehrheit zugestimmt wurde, konnte die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nicht erreicht werden.
Der Text gibt deutlich wieder, was der SkF seit Langem in der konkreten Lebensbegleitung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in seiner Arbeit (er)lebt und als notwendige Weiterentwicklung innerhalb der Kirche fordert. Daher positioniert sich der SkF inhaltlich eindeutig zu den Kernaussagen.
Der SkF ist überzeugt, dass jeder Mensch von Gott geschaffen, gewollt, bejaht und geliebt ist. Die unantastbare Würde eines jeden Menschen prägt unser Gottes- und Menschenbild.
Diese Haltung wird in unserer caritativen Arbeit sichtbar. Wir nehmen alle Menschen mit ihrer individuellen Lebenssituation an und unterstützen sie bei der selbstbestimmten Entwicklung von Perspektiven. Geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung gehören zur Persönlichkeit des Menschen.
Der SkF stimmt den Aussagen des Grundtextes zur Sexualethik zu. Sie öffnen den Blick für die wertvollen Impulse der kirchlichen Tradition: die Verbindung von Sexualität und Liebe, die Wertschätzung der Ehe, die Übernahme von Verantwortung für sich, für Partner:in sowie für die Kinder und Jugendlichen in diesen Beziehungen. Sie machen aber auch die Grenzen gelebter Sexualität deutlich: Die Würde des Menschen und sein Recht auf Selbstbestimmung dürfen nicht verletzt werden. Das bedeutet ein entschiedenes Nein zu sexualisierter Gewalt und Übergriffigkeit; zu Zwangsprostitution und Vergewaltigung. Es beinhaltet auch ein entschiedenes Nein, wenn Menschen gedrängt werden, ihre Sexualität zu verheimlichen oder zu unterdrücken.
Der SkF wurde 1899 gegründet, weil die Gründerinnen erkannten, dass Menschen, vor allem Frauen, Opfer von Gewalt und erniedrigenden Lebenssituationen waren. Das Leben der Frauen und die Unterstützung für sie wurden oft erschwert durch Moralvorstellungen, die zu Vertuschung, Machtmissbrauch und Stigmatisierung führten. Seit seiner Gründung tritt der SkF dafür ein, diese negativen Aspekte zu enttabuisieren, zu heilen und zu überwinden. Enge Moralvorstellungen führen bis heute zu Leid, insbesondere bei Frauen. Durch die Angebote der Beratung von Menschen mit Kinderwunsch, von Schwangeren, von Paaren, die sich trennen wollen, von Frauen, die Gewalt erfahren, und durch Angebote der Sexualpädagogik und Prävention übernimmt der SkF seit über 120 Jahren aus christlicher Überzeugung heraus Verantwortung für neue Lebensperspektiven und den selbstbestimmten Umgang mit Liebe, Sexualität, Partnerschaft und Elternschaft.
Innerhalb der caritativen Dienste und auch in vielen Bereichen der Pastoral hat sich diese sexualethische und werteorientierte Haltung seither in einer guten Weise entwickelt und bewährt.
Für viele ehrenamtlich und beruflich Engagierte im SkF ist die Kluft zwischen der Lehre der Kirche, der Lebenswirklichkeit der Gläubigen und unserer Sozialen Arbeit unerträglich. Dies führt unweigerlich zu immer mehr Relevanzverlust (auch der positiven Aspekte) der kirchlichen Sexuallehre.
Der SkF begrüßt den Grundtext und hebt aus seinen Empfehlungen folgende Aspekte hervor:
Sexualität, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sind Geschenk und Auftrag zugleich
Sexualität ist eine positive Lebenskraft und gehört zu unserer Identität. Verantwortungsvoll gestaltete Sexualität ist Ausdruck individueller Freiheit. Menschen können selbst entscheiden, was sie stark macht oder was ihnen schadet. Wir sehen die Aufgabe der Sexualethik darin, Menschen bei dieser Unterscheidung zu unterstützen und zu ermutigen, Liebe und Sexualität verantwortungsvoll für sich selbst und den/ die Partner:in zu gestalten.
Menschen entwickeln sich Zeit ihres Lebens weiter. Das gilt auch für ihre personale Identität und ihre Sexualität. Deshalb sind sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität Teil eines individuellen Wachstums-,Findungs- und Reifungsprozesses. Das Ergebnis dieses Prozesses kann nur von der Person selbst beurteilt werden. Es verbietet sich daher jede Form von Diskriminierung, Geringschätzung und Nichtachtung. Vielmehr müssen Menschen in ihrer selbstbestimmten Entwicklung unterstützt werden.
Wir sind gegen alle Handlungen, die Menschen erniedrigen oder ausbeuten, bei denen Menschen Gewalt angetan wird oder sie gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen oder genötigt werden. Wir ermutigen Menschen, sexuelle Lust als etwas Positives und selbstverständlich zum Leben Gehörendes wahrzunehmen und sie in Würde und Verantwortung zu leben.
Fruchtbarkeit hat mehrere Dimensionen
Sexualität ist in vielerlei Hinsicht lebensspendend, nicht nur in der Weitergabe neuen Lebens. Lebensspendend ist auch die soziale Dimension der Fruchtbarkeit. Sie umfasst eine grundsätzliche Offenheit für die Weitergabe des Lebens und die Verantwortung für die Partner:innen untereinander sowie in ihren sozialen Bezügen. Allein die Partner:innen entscheiden darüber, wie sie dieser Verantwortung als Paar und als (potenzielle) Eltern gerecht werden. Zu würdigen ist diese Offenheit auch bei Menschen, deren Wunsch nach Kindern unerfüllt bleibt. Zusätzlich zu ihrem Leid erfahren sie oft Rechtfertigungsdruck. Die Aufgabe der Kirche ist es, ihre Wirksamkeit für sich und die Welt auch ohne eigene Kinder zu stärken und anzuerkennen. Dies gilt auch für Paare, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden.
Sexualität ist ein Beziehungsgeschehen
Sexualität verwirklicht sich in Beziehungen: nicht nur gegenüber anderen, sondern auch gegenüber sich selbst. Sich selbst und seinen Körper zu lieben, ist eine wichtige Voraussetzung für eine reife Sexualität und einen würdevollen Umgang mit Partner:innen.
Alle verantwortungsvollen, verbindlich gelebten und auf Dauer angelegten Beziehungen verdienen Wertschätzung. Dennoch schließt das Vertrauen in den Segen Gottes und der Wunsch nach dauerhafter Beziehung auch in der sakramental geschlossenen Ehe nicht aus, dass Beziehungen scheitern. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott die Lebenswege aller Menschen mit seiner Güte und Obhut begleitet. Aufgabe der Kirche ist es, in diesem Sinne neue Perspektiven zuzulassen und zu unterstützen.
Wir sind davon überzeugt, dass eine so verstandene Sexualethik zu gelingendem Leben beiträgt. Diese Haltung prägt unsere Arbeit mit und für Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation.
Beschluss des SkF-Rates
Dortmund. 16. März 2023