Berlin, 12.11.2024 – Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Berlin (SkF Berlin) hat am 4. und am 5. November 2024 gemeinsam mit der EU-Plattform EPOCH[1] (European Platform on Combatting Homelessness) einen Workshop in Brüssel zum Thema Frauen und Wohnungslosigkeit veranstaltet. Im Mittelpunkt stand der Ansatz Housing First für Frauen.
Ziel des Workshops war es, Entscheidungsträger*innen aus Ländern der Europäischen Union für die Herausforderungen und Lösungen im Bereich der frauenspezifischen Wohnungsnot zu sensibilisieren und weiterzubilden.
Vertreter*innen aus Irland, Italien, Spanien und anderen EU-Staaten nahmen an der Veranstaltung teil. In einer intensiven Arbeitsatmosphäre präsentierten Mitarbeitende des SkF Berlin sowie eine ehemals von Wohnungslosigkeit betroffene Frau umfassende Einblicke in die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen wohnungsloser Frauen. Sie erarbeiteten gemeinsam mit den Teilnehmenden konkrete Lösungsansätze, um frauenspezifische Housing-First-Programme in ihren jeweiligen Ländern zu entwickeln und umzusetzen.
Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass sich das Bild von Wohnungsnot und besonders im Hinblick auf Frauen verändern muss. Nur dann, können passende Angebotsstrukturen für diese Zielgruppe etabliert werden.
Ein weiterer Programmpunkt des Workshops war der Besuch des Europäischen Parlaments, um sich dort über frauenspezifische Wohnungsnot auszutauschen und gleichzeitig politische Impulse zu setzen. Gastgeberin war MEP Alessandra Moretti von der S&D-Fraktion des Parlaments. Auf der Tagesordnung standen Präsentationen von Expert*innen zum Thema weibliche, verdeckte Wohnungsnot, unter anderem von Dalma Fabian, Policy Officer bei FEANTSA, Tii Juden, Expert by Experience bei No Fixed Abode, Finland, Boroka Feher, Policy Officer at BMSZKI, Ungarn und andere.
Der SkF Berlin und sein Projekt Housing First für Frauen (HFF) setzen sich nachdrücklich dafür ein, dass in jedem EU-Land ein frauenspezifisches Housing-First-Projekt eingerichtet wird.
„Es ist an der Zeit, dass die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Müttern mit Kindern in der Wohnungslosenhilfe anerkannt und in den Mittelpunkt der politischen Agenda gerückt werden. In unserer Arbeit bei HFF, sehen wir täglich den großen Hilfebedarf von Frauen und ihren Kindern. Nur durch gezielte Maßnahmen und individuell zugeschnittene Hilfsangebote, wie es
Housing First ermöglicht, können wir dauerhaft ihre Wohnungsnot beenden“, betonte Esther Maria Köb-Koutsamanis von HFF.
Mit dem Workshop in Brüssel hat der SkF Berlin einen wichtigen Schritt unternommen, um die Diskussion der frauenspezifischen Wohnungsnot auf die nächste politische Ebene über die Landesgrenzen hinaus zu bringen.
Auch in Zukunft wird der Verein aktiv an einem Netzwerk für den Austausch von Best-Practice Beispielen zur Umsetzung von Housing-First-Programmen für Frauen und Mütter mit Kindern in der Europäischen Union arbeiten.
„Gerade für Frauen und Mütter mit Kindern ist Housing First ein effektives und zukunftsfähiges Konzept, das hat der SkF Berlin mit dem Projekt HFF in den vergangenen sechs Jahren bewiesen. Gerade diese Personen, die am Hilfesystem vermeintlich schon gescheitert sind, werden mit HFF erreicht und aufgefangen. Angesichts des Ziels der Bundesregierung bis 2030 Wohnungslosigkeit zu beenden, ist es unerlässlich, neben der Schaffung von mehr leistbarem Wohnraum, auch gezielte Unterstützung für die Zielgruppen bereitzustellen. Frauen und Mütter mit Kindern dürfen nicht mehr durchs Raster fallen – in keinem EU-Land! Daher setzt sich der SkF Berlin auf allen Ebenen dafür ein, dass gerade dieser vulnerablen Gruppe dauerhaft und verlässlich ein sicheres Zuhause ermöglicht werden kann“, so die Vorstandsvorsitzende des SkF Berlin, Dr. Dagmar Löttgen.
„Seit 2018 haben wir wertvolle Erkenntnisse und Expertisen mit Housing First für Frauen gesammelt, uns ganz auf die Bedürfnisse von Frauen konzentriert, um ihnen die Unterstützung zu bieten, die sie brauchen. Ich bin sehr stolz, dass unser Projekt nach Brüssel eingeladen wurde und wir als Expertinnen unser Wissen weitergeben dürfen und Veränderungen anstoßen können“, erklärt die Bereichsleitung der Offenen Sozialarbeit des SkF Berlin, Sarah Kesselberg.
Über HFF:
Housing First für Frauen richtet sich seit Ende 2018 mit einem neuen Ansatz an wohnungslose Frauen mit multiplen Problemlagen. Im August 2023 wurde Housing First für Frauen mit der Louise-Schroeder-Medaille ausgezeichnet.
Ziel des Projektes ist es, die Wohnungslosigkeit der Frauen durch Anmietung einer Wohnung mit eigenem Mietvertrag zu beenden und so ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben wiederzuerlangen. Seit 2018 konnte das Projekt bereits 115 Wohnungen an wohnungslose Frauen vermitteln, davon gingen 14 Wohnungen an Frauen mit Kindern.
Die Lebenssituation der Frauen hat sich auf vielfältige Weise, vor allem in den Bereichen Gesundheit, Zufriedenheit und Soziales, verbessert. Die Wohnstabilität ist sehr hoch. Zudem wird mit der Vermittlung einer eigenen Wohnung ein Schutzraum vor Gewalt geboten, der obdachlose Frauen in besonderer Weise ausgesetzt sind.
Über den SkF e.V. Berlin
Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Berlin (SkF Berlin) ist ein Frauenverein, der sich der Unterstützung von Kindern, Jugendlichen, Frauen und Familien in Notsituationen sowie in besonderen Lebenslagen widmet. Der SkF Berlin fördert darüber hinaus die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft. Diese wichtige soziale Arbeit wird von einem engagierten Team aus mehr als 400 ehrenamtlichen und hauptberuflichen Mitarbeiter*innen getragen, die christliche Werte im Zusammenleben der Menschen in Berlin festigen möchten. Dadurch ist der SkF Berlin ein unverzichtbarer Bestandteil der kirchlichen Sozialarbeit.
In der Trägerschaft des SkF Berlin befinden sich u.a. Projekte und Einrichtungen wie Evas Obdach, Evas Haltestelle, das Duschmobil für Frauen oder die Delphin Werkstätten.
Die Geschichte des SkF Berlin reicht über hundert Jahre zurück. 1901 begannen die Josephschwestern in Berlin mit ihrer sozialen Arbeit und gründeten den Fürsorgeverein für Frauen, Mädchen und Kinder. 1924 schloss sich der Berliner Verein dem Katholischen Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder an, der von der Reichstagsabgeordneten Agnes Neuhaus gegründet wurde und deutschlandweit aktiv war. Neuhaus, eine der ersten Frauen im Reichstag, engagierte sich maßgeblich für die Entwicklung der Sozialgesetzgebung in der Weimarer Republik, insbesondere für das Jugendwohlfahrtsgesetz. Ihre Arbeit legte den Grundstein für den modernen Sozialdienst katholischer Frauen e.V., der weiterhin nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ agiert und sich für die Integration und Inklusion der von ihm begleiteten Menschen einsetzt.
Der SkF Berlin versteht sich als selbstständiger, kritisch-konstruktiver und unverzichtbarer Frauenfachverband innerhalb des Caritasverbandes der Erzdiözese Berlin. Er übernimmt gesellschaftspolitische Verantwortung und gibt denjenigen eine Stimme, die oft ungehört bleiben.
[1] EPOCH Practice ist das neue Programm, welches das gegenseitige Lernen und den Aufbau von Kapazitäten innerhalb der Europäischen Union verkörpern soll. https://www.feantsa.org/en/epoch-practice/about-epoch-practice